04.09.2023 // Allgemein
Verantwortung in der Nacht
Mitte Mai schreibt Mirjam Mättig eine Nachricht an den Instagram-Account des Epilepsiezentrums Kleinwachau: „Als Dauernachtwache ist man oft unscheinbar. Man wird nicht gesehen, nicht so richtig wahrgenommen.“
Als Mirjam Mättig drei Monate später im Besprechungsraum der Unternehmenskommunikation im Interview sitzt, spürt man aber ihre Begeisterung und ihre Leidenschaft für ihren Job. Seit zwölf Jahren ist die gebürtige Oelsnitzerin (Erzgebirge) Nachtwache im Epilepsiezentrum nördlich von Dresden.
„Ich liebe meine Arbeit, und ich liebe es, die Verantwortung zu tragen“, sagt die 43-Jährige. „Schließlich sind wir nachts zum Beispiel im Wiesenhaus zu zweit für alle 57 Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Bedürfnisse ansprechbar.“
„...dann fühle ich das Mit-dir-hier.“
Das Wiesenhaus ist eines der stationären Wohnangebote im Epilepsiezentrum Kleinwachau. Es wurde im September 1991 eingeweiht. Hier gab es damals die ersten gemischten Wohngruppen auf dem Campus, die von Mädchen und Jungen zugleich genutzt werden konnten.
Was Mirjam Mättig immer wieder erfreue, sei die Rückmeldung, die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen von den Bewohnerinnen und Bewohnern bekommen. Mirjam Mättig: „Wenn ein Klient sagt, schön, dass Sie hier sind, dann fühle ich das Mit-dir-hier.“
„Mit-dir-hier“ ist die Jahreskampagne des Epilepsiezentrums Kleinwachau, die Interpretation der Jahreslosung der Evangelischen Kirche Deutschlands: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Genesis 16,13)
Aber es sei halt schon so, man arbeite, „wenn die anderen schlafen.“ Dass es da an Sichtbarkeit fehle, sei zwar natürlich, sagt die gelernte Heilerziehungspflegerin, aber sie möchte auch einmal sagen, aber auch hören: „Wir sind mit euch hier.“
Nachtwache und Privatleben
In Kleinwachau hat Mirjam Mättig nicht nur ihr berufliches, sondern auch ihr privates Glück gefunden. Ein Jahr nach ihrer Einstellung stand sie zufällig beim „Tanz in den Mai“ neben dem Grillmeister. Aus dieser Party-Begegnung wurde echte Liebe. Heute sind sie und ihr Mann elf Jahre zusammen und leben gemeinsam in Lichtenberg nördlich von Radeberg.
Und wie Gottes Wege es manchmal wollen, arbeitet auch ihr Mann nachts: Er ist Bäcker, sein Dienst beginnt um zwei Uhr in der Früh. Dadurch gibt es jeden Tag eine gemeinsame Zeit für das gemeinsame Familienleben – vom frühen bis zum späten Nachmittag.
Wenn es dann in den Urlaub geht, switcht das Paar direkt um. „Wir sind sofort im normalen Rhythmus, also den Tag-Nacht-Rhythmus, den die meisten Menschen leben“, erzählt Mirjam Mättig. „Wir haben beide keine Probleme mit der Arbeit in der Nacht und der Umstellung.“
„Auch deshalb, also weil mein Mann und ich so fast kongruent arbeiten und leben können, bin ich froh, dass ich in Kleinwachau als Nachtwache arbeiten kann“, sagt Mirjam Mättig. „Obwohl es auch manchmal aufregende Nächte gibt.“
Verantwortung in der Nacht
Wenn Klientinnen und Klienten zum Beispiel partout nicht schlafen wollen und sich immer wieder Gründe einfallen lassen, warum das Bett gerade in dieser Nacht der falsche Ort ist.
Es gibt aber auch immer mal Situationen, bei denen sie merkt, wie herausfordernd ihr Beruf ist. Mirjam Mättig: „Wenn es einer Klientin oder einem Klienten schlecht geht, man Entscheidungen treffen, aber gleichzeitig auch für die anderen da sein muss.“ Eine gewisse Angst sei daher ein ständiger Begleiter, meint sie offen und fügt dazu: „Aber das gehört zum Job.“
Die Dauernachtwachen in Kleinwachau – sie werden gesehen. Mit dir hier.